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Thrombosespritzen

Posted by on 14. Oktober 2013

Seit Montag sind wir in Erzurum. Wir warten auf unser Iran Visum. Um den Iran bereisen zu können, benötigt man als Tourist eine Einladung, für welche man eine Referenznummer erhält. Mit dieser Nummer kann man dann bei der Botschaft bzw. beim Konsulat das Visum erhalten. Andersrum ausgedrückt: Ohne Referenznummer geht überhaupt nichts. Die Nummer haben wir von Griechenland aus beantragt und diesen Mittwoch erhalten. Das hat alles bestens geklappt. Also gleich am Mittwoch Mittag ab zum Konsulat. Da die Öffnungszeiten von 14:30 Uhr – 16:00 Uhr eh sehr kurz sind, haben wir uns beeilt. Doch so wie es scheint möchte am Nachmittag keiner mehr ein Visum ausstellen. Sie haben uns auf den nächsten Tag vertröstet: “Visa only morning”. Ok. Also am nächsten Morgen gleich wieder los und mit voller Erwartung das Konsulat gestürmt… “we didn’t receive referencenumber”… Was ist denn jetzt schon wieder los? Sie haben die Referenznummer noch nicht erhalten? Ok. Also wieder warten. Ich könnte nun noch ein paar Abschnitte voll so weiter schreiben. Letztendlich sind wir seit Mittwoch Stammgast im Konsulat und ich brauche schon gar nicht mehr sagen was ich möchte. Wir wissen mittlerweile auch, dass wohl Donnerstag und Freitag im Iran nicht gearbeitet wird. Und Samstag/Sonntag dummerweise in der Türkei Wochenende ist…

Fakt ist, dass wir durch die ganze Warterei und Rumsitzerei eigentlich schon ein paar Thrombosespritzen gebrauchen könnten. Man weiß ja nie. Nachdem dann am Freitag auch nichts mehr ging und wir wussten, dass am Wochenende auch nichts läuft, haben wir beschlossen weiterzufahren und die Gegend zu erkunden. Die beste Entscheidung überhaupt. Das Gefühl nach vier Tagen Hotel wieder in den Landy zu sitzen war einfach wunderbar. Wirklich. Es ist ein Gefühl der Freiheit, an welches man sich schnell gewöhnt. Unabhängig zu jeder Zeit. Fahren wohin und solang man möchte. Und überall ein neues Abenteuer.

Eigentlich wollten wir nur zu einem ca. 100 km entfernten Wasserfall fahren um dort die Nacht zu verbringen. Der Wasserfall bei Tortum/Uzudere ist wirklich toll. Ein Erdrutsch hat vor langer Zeit ein ganzes Tal blockiert, so dass sich ein großer See gebildet hat. Über die Kante dieser Talsperre bricht der See hinab und erzeugt einen der schönsten und größten Wasserfälle in der Türkei.

Dort angekommen, haben wir die Gegend mit ihrer wunderschönen Natur bei einem Spaziergang erkundet. Nach einem Mittagsschläfchen auf den Picknickbänken haben wir dann doch spontan entschieden weiterzufahren. Die Landschaft ist so gigantisch schön, dass sie Lust auf mehr gemacht hat. Also ab in den Landy und weiter gehts. Durch enge Schluchten und vorbei an tiefen Abgründen sind wir das ganze Tal entlang gefahren. Es ist atemberaubend was die Türken hier gerade vollbringen. Das Tal erstreckt sich über mind. 100 km und geschätzte 70 km davon sind Großbaustelle. Es werden Tunnel gegraben und neue Straßen weit oberhalb der alten Straße gebaut. Wir fahren noch auf der alten Landstraße, die wohl nicht mehr lange bestehen wird. Das Tal ist bereits jetzt zu einem großen Teil geflutet. Die Häuser sind verlassen. Aus dem anfänglich schönen Gebirgsfluss entsteht ein riesiger Stausee. Am Ende des Tals sehen wir das Ergebnis. Ein Koloss von Staudamm blockiert das Tal. Ich habe noch selten so eine Großbaustelle gesehen. Unmengen von Lastwagen, Baggern, Tunnelbohr- und Asphaltmaschinen arbeiten im Tag- und Nachtbetrieb. Die alte Landstraße wir schon in 1-2 Jahren Geschichte sein.

Da sich das Tal länger hinzieht als gedacht und wir durch unser Mittagsschläfchen etwas verspätet los sind, kommen wir in die Nacht. Wir erreichen das schwarze Meer und sehen von den Gipfeln der Berge, die wir gerade überqueren, noch den Sonnenuntergang über dem Meer. Bis wir das Meer aber erreichen ist bereits die Nacht hereingebrochen. Längst Zeit eine Schlafstätte zu suchen. Leider finden wir am Meer nichts, da sich die Schnellstraße an der Küste entlang schlängelt und direkt gegenüber die Berge beginnen. Also fahren wir die Berge wieder hoch und halten im Dunkeln im Wald auf einem Feldweg. Hier siehts nicht schlecht aus. Etwas verlassen und ruhig. Als wir gerade mit dem Ausladen beginnen wollen, kommt doch tatsächlich ein Pickup den steilen Weg hochgekrochen. Und natürlich hält er. “Tourist? Oh… sleep? Oh… here? No no… come…” Das gibts nicht. Wir sollen ihm hinterher fahren. Es geht weiter steil bergauf. So steil, dass ich die Untersetzung beim Landy nutze. Dann halten wir. Aber nur, weil unser Begleiter seine leeren Wasserkanister auf der Ladefläche füllen muss. Er benötigt mehr Gewicht auf der Hinterachse. Nach einem kurzem Stop gehts weiter. Weit scheint es nicht mehr zu sein, gestikuliert er wild. Und dann sind wir da. Ein kleines Häuschen fast auf dem Gipfel mitten im Wald mit einer traumhaften Aussicht auf den darunter liegenden Ort und das schwarze Meer. Wir sollen eintreten. Er heißt Ali und ist 60 Jahre alt. Er spricht nur türkisch und wir haben große Mühe uns zu verständigen. Doch wieder einmal bin ich von der türkischen Gastfreundschaft mehr als überwältigt. Wir bekommen Hausschuhe und betreten sein Haus. Im Wohnzimmer machen wir es uns gemütlich. Ali zündet das Feuer an, wir vespern gemeinsam. Er lebt allein, seine Frau ist vor ein paar Jahren gestorben. Seitdem raucht er wohl auch wieder. Nach dem Essen möchte er uns unbedingt die nahe gelegene Aussichtsplattform zeigen. Ich soll mit dem Landy hochfahren. Wir schnappen uns drei Bier und steigen in den Landy. Nun wird es richtig abenteuerlich. Das ist Offroad vom Feinsten. Es ist stockdunkel und wir fahren durch eine extrem ausgeschwemmte Hohlgasse nach oben. Der Landy packt das aber mühelos und schon bald stehen wir auf der Aussichtsplattform. Ali schwärmt mit Händen und Füßen von seiner Stadt und den umliegenden Orten. Es ist toll hier. Als wir zurück sind, bietet uns Ali seine zwei Sofas an. Wir holen unsere Schlafsäcke und bedanken uns. Nach ein paar gemeinsamen Rakis gehen wir zu Bett.

Am nächsten Morgen kommt Alis Bruder vorbei. Er hat einen kleinen Vogel gefangen, welchen er an einem langen Stab angebunden hat. Dieser soll als Lockvogel dienen. Mit dem geschulterten Rucksack läuft er Richtung Aussichtsplattform. Ich habe immer noch nicht richtig verstanden welche Vögel er fangen will. Den Gesten nach müssen es große Vögel sein. Wir frühstücken. Ali macht uns feinen türkischen Tee, dazu gibts ein Ei. Kurze Zeit später kommt doch tatsächlich ein Taxi den Berg hochgekrochen. Das ist schon ne ordentliche Leistung. Es ist wieder ein Verwandter von Ali. Auch er hat einen Lockvogel dabei und möchte zu seinem Freund auf den Berg. Allerdings ist die Weiterfahrt für den Taxifahrer unmöglich. Der Weg wird zu steil und die Hohlgassen sind nahezu unpassierbar. Also bittet Ali mich, seinen Verwandten mit dem Land Rover hinauf zu fahren, was ich natürlich gerne tue. Auf dem steilen Weg nach oben sehe ich dann auf einmal was der Zweck der Vogeljagd ist. Ein rießengroßer Uhu sitzt auf einem Baum am Wegesrand und lässt sich von uns nicht beirren. Ich habe noch nie so einen Uhu in freier Natur gesehen. Das kenne ich bisher nur aus dem Zoo. Hier scheint es diese großen Vögel noch zu geben. Mein Sitznachbar wird währenddessen schon ganz nervös. Oben auf dem Gipfel haben die Uhujäger einen Unterstand mit Stangen, an denen sie die Lockvögel festbinden. Deren Rufe sollen die Uhus anlocken. Ich fahre wieder zu Alis Haus hinunter. Wir verabschieden uns bei Ali, danken ihm für alles und versprechen ihm Bilder zu schicken.

Für die Weiterreise hat uns Ali noch einen Tipp gegeben: Camlihemsin und Ayder. Zwei schöne Bergdörfer nicht weit entfernt. Dies ist unser nächstes Ziel. Ayder ist ein typisches Bergdorf wie im Schwarzwald. Es ist recht touristisch aber dennoch sehr traditionell erhalten. Ein komischer Anblick ist es allerdings teilweise schon. Bäche schließen das Tal hinunter, hindurch durch grünes Weideland. Dazu grasen Kühe zwischen alten Bauernhäusern. Nichts ungewöhnliches für uns, wenn es nicht fast direkt am schwarzem Meer in der Türkei wäre. Noch dazu tummeln sich auf den Wiesen vollständig schwarz verschleierte Frauen und schießen mit ihren modernen Spiegelreflexkameras Bilder mit den Kühen. Das kommt uns etwas suspekt vor. Wir lassen uns auf einem nahe gelegenen Campingplatz nieder, kochen uns ein feines Essen und genießen die Landschaft mit der guten Luft.

Nachts wird es wieder eisig kalt und wir frieren in unserem Dachzelt auf 1450m bei 5 Grad. Die Berggipfel sind schneebehangen und der Winter lässt nicht mehr lange auf sich warten. Am nächstes Tag brechen wir Richtung Erzurum auf und fahren einen anderen Weg über die große Gebirgskette, die das schwarze Meer vom Hinterland trennt. Die höchste Überquerung an diesem Tag liegt bei 2600m. Eine ordentliche Höhe, die der Landy da meistert. Auch hier ist die Landschaft atemberaubend schön. Ich muss immer wieder anhalten um Bilder zu machen. Vermutlich habe ich schon viel zu viele Landschaftsbilder geschossen, aber ich kann da einfach nicht weiterfahren. Morgen gehen wir wieder aufs Konsulat und hoffen, dass die Iraner übers Wochenende eine Referenznummer geschickt haben. Und dann gehts wirklich ab in den Iran!

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