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Im Land der Perser

Posted by on 20. Oktober 2013

Es hat noch gedauert. Aber Geduld ist eine Tugend und vor deren Probe wurden wir nunmal gestellt. Eins vorneweg: Es hat sich gelohnt zu warten. Und wie.

Als wir nach unserem Trip ans schwarze Meer wieder in Erzurum ankommen, fahren wir am Montag morgen natürlich gleich ins Konsulat. Ich bin mir sicher, dass jetzt alles klappt und richte gleich alle benötigten Dokumente inkl. Passbilder, damit es schnell gehen kann. Freudenerwartend stehe ich zum 7. oder 8. mal im Konsulat und was sagt der Bürokrat? “Sorry, we didn’t receive your number.” Ok… Wo war noch gleich der Brandsatz? Es hilft alles nichts. Wir müssen noch einmal eine Nacht hier verbringen. Also raus aufs Land. Wir finden einen guten Stellplatz bei einem kleinen Wasserreservoir. Im Sommer tummeln sich hier vermutlich die Massen der picknickliebenden Türken. Jetzt ist alles verlassen und wir sind froh, dass bei den Toiletten das Wasser noch nicht abgedreht ist. Wir befinden uns auf ca. 2100m und auch in dieser Nacht wird es wieder eisig kalt, weshalb wir im Auto übernachten. Am nächsten Morgen ist das Wasser im Wassersack auf unserem Auto gefroren…

Am darauffolgenden Tag lassen wir uns ein wenig mehr Zeit beim zusammenpacken. Ich möchte nicht wieder der Erste auf dem Konsulat sein. Die halten mich da noch für verrückt. Auf einmal klingelt mein Handy. Das gab es seit über drei Wochen nicht mehr… Es ist das Konsulat. Die Nummer ist da! Wir sollen doch sofort vorbeikommen. Nichts lieber als das. Also los. Als wir nach Erzurum reinfahren, hat sich etwas verändert. Erzurum ist rot. Blutrot. Überall läuft das Blut geschlachteter Rinder, Lämmer und Ziegen die Straßen entlang. Die Menschen stehen an der Seite und zerlegen geschlachtete Tiere. Es ist Bayram. Ein türkischer Feiertag und Opferfest. Selbst als wir in die Straße zum Konsulat einbiegen, läuft uns das Blut entgegen. Egal. Kurz darauf stehen wir im Konsulat und eine Stunde später halten wir die lang ersehnten Visa in unseren Händen! Geschafft! Unbelievable.

Jetzt aber ab. Wir brausen aus Erzurum los und wollen schnellstmöglich Richtung iranischer Grenze. Wir fahren kleine Landstraßen durchs türkische Hinterland. Ich liebe mittlerweile diese Routen. Sie sind abwechslungsreich und man kommt immer wieder durch kleine Dörfer im Hinterland, wo man frisches Obst und Gemüse einkaufen kann – abseits dicht befahrener, von Abgas getränkten Straßen. Wir fahren am Vansee vorbei und suchen gegen Abend das nächste Nachtlager. Irgendwo in der Pampa. Doch wo? Irgendwie sind wir mittlerweile etwas zu sehr von den großen Straßen abgekommen. Ich fahre offroad an der türkisch-iranischen Grenze entlang und fühle mich dabei nicht wirklich wohl. Wir fahren durch ärmste Dörfer, unzählige Schaf- und Ziegenherden werden gerade nach Hause getrieben. Wir sind längst in Kurdistan angekommen. Irgendwas sagt mir, dass wir hier nicht übernachten sollten. Also beschließe ich, noch weitere 50 km über übelste Pisten zu fahren, was bei der hereinbrechenden Dunkelheit höchste Konzentration erfordert. Ich suche eine größere Straße, an der wir übernachten können. Bei Özalp kommen wir auf die größere D300 und finden einen Platz an einer Tankstelle. Besser.

Am nächsten Morgen brechen wir zügig auf. Der Grenzübertritt zum Iran kann langwierig werden. Wir möchten bei Khoy in den Iran einreisen, da wir von diesem Grenzübergang bisher nur gutes gelesen haben. Ein paar Kilometer vor der Grenze treffen wir Samuel. Er ist aus der Nähe von Stuttgart und ist mit seinem Fahrrad bis hierher gekommen. Er hat gehört, dass eine Einreise alleine mit dem Fahrrad in den Iran anscheinend nicht mehr möglich sei. Außerdem fährt er mit einer kaputten Speiche, die auf Dauer sein Laufrad zerstört. Also beschließen wir zusammen einzureisen. Wir packen das Fahrrad aufs Dach, die Taschen in den Kofferraum und machen Platz für unseren neuen Mitfahrer. An der Grenze läuft dann alles recht gut. Es fragt keiner so richtig nach dem Fahrrad. Als ein Zöllner genauer nachfragt, verstehe ich ihn nicht richtig und antworte etwas bzgl. Land Rover. Auch gut. Außerdem keine Fixer, keine teure Dieselkarte. Wir müssen durch viele verschiedene Passstationen und immer wieder unseren Reisepass mit dem Visa vorzeigen. Hier benötige ich nun auch zum ersten Mal das Carnet de Passages. Das Carnet ist ein internationales Zolldokument, welches ich bereits in Deutschland beim ADAC beantragt habe. Auch hier verläuft alles reibungslos und ich erhalte die benötigten Stempel. Als wir dann endlich weiterfahren möchten, kommt es doch noch zur Autokontrolle. Irgendein Möchtegern-Chef möchte alles kontrollieren. Taschen auf. Auto ausräumen. Die Mittelkonsole durchwühlt er gleich selbst. Das dabei gefundene Pfefferspray passt ihm gar nicht. Dennoch schmettert er es wieder zurück mit dem Hinweis, dass es im Iran verboten sei – aber er es genehmige. Dann folgt natürlich noch der Hinweis, dass wir keinerlei Alkohol mit uns mitführen dürfen. Klar. Verstanden. Den Schnaps hat er ja eh nicht gefunden…

Dann ist es geschafft. Wir sind im Iran! Unser erstes Ziel ist Khoy, wo wir eine Kleinigkeit essen und versuchen den ersten Diesel zu tanken. Das ist aber leichter geplant als getan. Wir haben keine Dieselkarte (die eh viel zu teuer gewesen wäre). Als wir an einer langen Autoschlange an der Tankstelle anstehen, erklären uns zwei Jungs, dass es an dieser Tankstelle kein “gazoil” gibt. Sie fahren voraus und zeigen uns eine Dieseltankstelle. Dort bequatschen sie auch gleich einen LKW Fahrer, damit wir auf seine Karte tanken können. Wir nutzen die Situation, tanken gleich 100 Liter und bezahlen im Gesamten ca. 9,00 Euro! “Welcome to Iran.”

Die erste Nacht verbringen wir im Feld außerhalb von Khoy. Die vorbeiziehenden Hirten scheinen ihren Augen nicht zu trauen, denn jeder einzelne begrüßt uns persönlich und lacht bis hinters Ohrläpple. Auch auf der Straße werden wir begrüßt. Menschen winken uns aus ihren vorbeifahrenden Autos zu. Teilweise fahren sie nebenher und rufen durchs heruntergelassene Fenster: “Where do you come from?” – “Germany” – “Welcome to Iran.” Wir fallen auf. Wo wir mit dem Auto stehen bleiben, kommen Leute zu uns. Sie möchten ein Bild machen. Von den jährlich ca. 250.000 Touristen, die den Iran bereisen, fahren die wenigsten mit dem eigenen PKW ins Land. Die Anzahl der mit dem Auto einreisenden Deutschen ist dabei vermutlich noch schneller gezählt. Durch die sehr geringe Anzahl an Touristen freuen sich die Iraner umso mehr auf den internationalen Kontakt. An jeder Ecke werden wir auf einen Tee eingeladen. Die Gastfreundschaft des iranischen Volkes ist atemberaubend. Und wir sind erst angekommen.

Die zweite Nacht verbringen wir in Tabriz. Tabriz ist busy. Hier leben ca. 2 Millionen Menschen. Es gibt einen wunderschönen Basar, auf dem wir zu Abend essen. Dennoch beschließen wir am nächsten Morgen weiterzufahren. Iranische Städte sind sehr anstrengend. Noch dazu mit dem eigenen PKW. Das kostet eine ordentliche Portion Nerven. Nach einem gemeinsamen Frühstück verabschieden wir uns von Samuel. Er möchte am kaspischen Meer entlang Richtung Teheran weiterradeln. Sein Ziel ist Indien. An dieser Stelle viel Glück mein Freund! Pass auf dich auf!

Da heute iranischer Feiertag ist, rauschen wir die ersten paar 100 km auf dem wenig befahrenen Highway Richtung Teheran. Da es nichts langweiligeres als vielspurige, geteerte Autobahnen gibt, biegen wir irgendwann ab und fahren grob nach Kompass Richtung Südwesten. Hauptsache die Richtung stimmt. Und Hauptsache Abwechslung. Wir fahren wieder durch kleinere Städte und kaufen an den Ständen ein. Obst, Gemüse und zum ersten Mal auch alkoholfreies Bier mit Zitronengeschmack. Das Zeugs gibt es mit Pfirsich-, Ananas- und weiß der Geier nicht alles für Geschmacksarten. Dann doch lieber Zitrone. Das geht so Richtung Radler… Am Abend finden wir Platz an einem nahe gelegenen Waldstück. Der Besitzer hat alle Bäume selbst gepflanzt und pflegt seinen Besitz sehr ordentlich. Er freut sich riesig, dass wir hier übernachten möchten und zeigt uns das ganze Gelände. Wir kochen feinen Reis mit Gemüse. Natürlich müssen wir am nächsten Tag seine eigenen Kartoffeln mitnehmen. Ohne würde er uns nicht ziehen lassen. Uns ist es mittlerweile schon fast peinlich, wie wir hier empfangen werden…

Unsere Richtung ist die Stadt Isfahan. Wir möchten die Stadt am übernächsten Tag erreichen. Wieder fahren wir bergauf und bergab und durchqueren unendlich weite Landschaften. Die iranische Bevölkerung beträgt ca. 70 Millionen Menschen. Davon leben die meisten Einwohner in Städten. Das Land ist riesig und erstreckt sich vom gebirgigen Norden entlang an zwei weiteren Gebirgsgürteln im Westen und Osten bis in den heißen Süden an den persischen Golf. Auf unserer Strecke kommen nur wenige Dörfer. Die meisten Siedlungen beschränken sich entweder auf ein paar wenige Häuser oder es handelt sich gleich um größere Städte. Daraus resultieren diese unendlichen Weiten, bei denen ich immer wieder ins Schwärmen gerate und am liebsten alle mit der Kamera einfangen würde. Doch irgendwann kommt man an den Punkt an dem man die Kamera einfach weglässt und genießt. Man genießt diesen besonderen Moment – und sucht nicht gerade in diesem Augenblick nach der Kamera. Ich merke das immer öfters. Es muss “klick” im Kopf machen und nicht am Fotoapparat. Nur so speichert man für die Ewigkeit.

Auf unserm Weg Richtung Isfahan kommen wir in die Stadt Borujerd. Es ist keine sonderlich schöne Stadt. Ich halte an einem Kreisverkehr und suche auf der Karte nach dem nächsten Stop. Plötzlich halten zwei Studenten und fragen uns die üblichen Floskeln. Sie freuen sich so uns zu treffen, dass sie uns zu sich in ihre Wohnung einladen. Wir willigen ein und trinken mit den Jungs einen Tee in der Studentenbude. Es sind Maschinenbau-Studenten und wir können uns gut auf englisch unterhalten. Sie bieten uns ihre Wohnung für die Nacht an, doch wir wollen noch ein wenig weiter. Wir haben uns an den Landy gewöhnt und der Plattenbau spricht uns nicht so an. Da es schon dämmert, wollen wir einfach aus der Stadt rausfahren und auf dem Land nach einem geeigneten Schlafplatz suchen. Kurz bevor es ganz dunkel ist, sehe ich eine weit entfernte Baumkette, die als geeignet erscheint, da man nicht gleich gesehen wird und die Bäume etwas Windschutz bieten. Über einen Feldweg erreichen wir die Bäume und sehen, dass es sich um eine Farm handelt. Es brennt Licht und wir möchten fragen, ob wir die Nacht in unserem Zelt unter den Bäumen verbringen können. Wir werden von den Farmern sofort herzlichst empfangen und eingeladen im Haus zu übernachten. Das ist uns gar nicht recht, doch es wäre zu unfreundlich abzulehnen. Die Freude ausländische Touristen aufnehmen zu können ist zu groß. Man sieht es förmlich in ihren Augen. Bei den Farmern handelt es sich um sechs Brüder, welche die Farm zusammen mit vielen Arbeitern bewirtschaften. Alle Brüder sind anwesend. Wir betreten das Haus und setzen uns auf den Boden. Es gibt keinerlei Möbel, alles spielt sich auf dem Boden ab. Es wird sofort Tee serviert. Ein Bruder, Davud, spricht ein paar Brocken englisch und so verständigen wir uns den ganzen Abend lang. Wir reden viel über die politische Lage im Iran, sprechen über die Verschleierung der Frauen und ob man in Deutschland oder im Iran glücklicher ist. Ich finde es höchst spannend diese Leute zu treffen. Wir bekommen einen tiefen Einblick in die iranische Kultur. Davud klärt uns darüber auf, dass wir uns in Lurdistan befinden, alle Männer sind stolze Lurden (Achtung: nicht Kurden!). Nebenher läuft immer der Fernseher. Die Männer singen mit. Ich bin überrascht wie freizügig das iranische Fernsehen vor allem bei den Musikclips ist, bis mir Davud erklärt, dass sie mit ihrer Satellitenschüssel iranisches Fernsehen aus Deutschland empfangen können! Sogar ZDF ist drin. Mich haut’s fast vom Hocker. Passend zur Tagesschau flackert Carmen Mioska auf dem kleinen TV in unserem möbellosen Raum. Seit vier Wochen habe ich keine deutschen Nachrichten mehr gesehen. Und hier im Iran klappt es. Ich bin baff. Und als die Jungs dann das Abendessen präsentieren, bin ich es erst recht. Hühnchenspieße mit gerösteter Paprika und Chili, dazu Fladenbrot. Auf dem Boden wird eine Tischdecke ausgebreitet und wir setzen uns daran. Auch ein paar Arbeiter kommen hinzu und so sind wir ca. 10-12 Männer, die in geselliger Runde den Abend zusammen genießen.

Seit der Machtübernahme der Mullahs 1979 müssen sich alle Frauen im Iran wieder verschleiern (auch Touristen) obwohl die Verschleierung 1936 verboten wurde. Viele Iraner lehnen die Verschleierung konsequent ab und halten nichts vom alten und neuen Präsidenten, da er vom geistlichen Oberhaupt bestimmt wird. Die Wahlen im Land halten sie für eine Farce. Die Menschen fühlen sich eingeengt. Sie wünschen sich die Zeit vor 1979/1980 zurück. Seit der Machtübernahme ist auch Alkohol strengstens verboten, das Internet wird gefiltert, die TV Programme senden genormte Sendungen. Doch die Iraner sind sich selbst treu geblieben. Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem iranischen Bild, welches die Regierung in der westlichen Welt verbreitet und dem iranischen Volk. Ich habe selten so gastfreundliche, herzliche Menschen getroffen wie hier im Iran.

Es ist wichtig, dass wir Menschen aufgrund ihrer Nationalität nicht über einen Kamm scheren. Das wird mir auf dieser Reise wieder so bewusst. Es ist häufig leichter gesagt als getan, aber es muss jeder bei sich selbst beginnen. Es gibt große Unterschiede zwischen der Regierung und den Menschen, die unter der Regierung leben. Wie oft musste ich vor unserer Abreise hören, wie gefährlich doch der Iran sei und ob ich mir das auch gut überlegt habe. Oder ob wir nicht wenigstens eine Waffe mitnehmen können. Man weiß ja nie… Kein einziger davon war jemals zuvor im Iran, sondern wurde nur durch unsere Medien geprägt. Ich fühle mich hier sehr sicher und allzeit herzlichst willkommen. Die Mediendiskussion lasse ich an dieser Stelle aus.

Am nächsten Morgen zeigt uns Davud seine Farm bei Tageslicht. Zur Zeit werden überwiegend Karotten, Paprika und Kraut geerntet. Auch Walnüsse, Chili und Trauben werden angebaut. Das Gemüse wird in Lastern dann nach Teheran gebracht. Nach einem ausführlichen Spaziergang und 2-3 weiteren Tee verabschieden wir uns sehr herzlich von den Brüdern. Sie wollten uns gar nicht gehen lassen und waren sehr traurig über unsere Abreise.

Mittlerweile bin ich mehr als 7.000 Kilometer gefahren. Wir sind in Isfahan angekommen und nehmen uns ein Hotelzimmer mit heißer Dusche. Ein netter Nebeneffekt ist, dass wir uns im Hotel immer wieder etwas “updaten” können und z.B. die Digitalversion der Badischen Zeitung aktualisieren oder im Internet surfen – sofern die Seiten freigeschalten sind. Isfahan gefällt mir sehr gut. Es ist grüner als die anderen iranischen Städte. Das Stadtbild ist geprägt von den farbenprächtigen, runden Kuppeln der Moscheen, die an jeder Ecke zu finden sind. Wunderschön bei Nacht ist z.B. die Si-o-se Pol Brücke mit ihren 33 beleuchteten Bögen. Der große Bazar mit dem Imam-Platz gehört zu den größten seiner Art und zu den sicherlich bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Isfahan ist seit dem Jahr 2000 Partnerstadt von Freiburg. Während wir so durch die Straßen schlendern, fallen mir immer wieder viele moderne, junge Iranerinnen auf. Sie tragen neue Sonnenbrillen, sind geschminkt, drücken in europäischer Manier an ihren Handys rum und unter ihren Tüchern blitzen flotte Ballerinas und Jeans hervor. Ausserdem finde ich, dass viele Iranerinnen sehr hübsch sind. Vielleicht trägt das Kopftuch und die Vereinheitlichung der schwarzen Gewänder gerade dazu bei, dass das Gesicht mehr betont wird. Jedenfalls habe ich selten so viele hübsche Frauen an einem Ort gesehen.

Nach Isfahan verbringen wir die folgende Nacht südlich von Varzaneh in der Wüste in einer alten verlassenen Lehmbau-Siedlung. Wir stellen den Landy im Windschatten ab und essen in einer Lehmhütte zu Abend. Die im Hotel noch gewaschene Wäsche trocknet nebenher draußen im Wind. Hier kann es schon auch Schlangen und Skorpione geben. Wir ziehen lieber mal unsere festen Schuhe an. Fledermäuse kreisen draußen umher. Die Nacht verbringen wir dann wie gewohnt im bzw. auf dem Auto. Es ist dunkler und ruhiger wie sonst und der Himmel ist sternenklar. Der Wind nimmt während der Nacht zu und rüttelt ordentlich am Dachzelt. Ich habe mich mittlerweile schon daran gewöhnt und schlafe dennoch sehr gut. Am nächsten Morgen erkunden wir dann das Gelände. Es ist eine sehr karge Landschaft mit trockenen Sträuchern, Sanddünen und entfernten Bergen. Wir fahren durch die sandigen Pisten Richtung Yazd und finden viele Wasserstellen, an denen Hirten ihre Schafe und Ziegen tränken. Erst nach vielen sandig-staubigen Kilometern erreichen wir wieder eine asphaltierte Straße und später Yazd. Yazd soll eine der ältesten bewohnten Städte der Welt sein. Das Zentrum der Stadt besteht fast ausschließlich aus alten Lehmbauten mit vielen kleinen verwickelten Gassen. Dazwischen türmen sich prachtvolle Moscheen mit teilweise blauen Kuppeln in den Himmel. Normalerweise tummeln sich in ähnlichen Gassen und Bazaren Scharen von Touristenfängern, die dir einen Teppich oder sonst was andrehen möchten. In Yazd ist es total ruhig und die Straßen sind leergefegt. Ich frage einen Händler, ob heute zufällig Feiertag ist. Er antwortet, dass dies in Yazd wohl so normal wäre. Das ist sehr angenehm, wenn auch in den anderen Städten nach kurzem Nachfragen die Händler nicht weiter gestört haben. Vor dem Silk Road Hotel treffen wir zum ersten mal seit langem einige Touristen und ich kann mich etwas austauschen. Lustigerweise treffen wir dort auch Joachim Käufl aus München, der mit dem Motorrad gerade aus Afrika kommt und nach Nepal weiterfährt. Er hat auch in Marsabit (Kenia) bei Henry übernachtet und Henry hatte mir vorab seine Email zum gegenseitigen Austausch zukommen lassen. Und das beste ist, dass weder er noch wir im Silk Road Hotel übernachtet haben. So klein ist doch die Welt.

Die weiteren Tage fahren und übernachten wir in der Wüste bzw. sehr karger Landschaft. Wir fahren nach Bafgh zu den Dünen und von dort querfeldein Richtung Kerman. Es sind ordentlich sandige Wellblechpisten. Als wir mittags eine Pause machen und dazu über viel Sand zu ein paar Büschen fahren, versenke ich den Landy zum ersten mal im Sand. Ich bin noch am Üben und sammle Erfahrung aber irgendwie war auf einmal der Landy bis zur Achse eingegraben. Das geht im Sand so verdammt schnell. Je nach Untergrund sackt grad der Boden weg und man steckt fest. Gott sei dank war in Reichweite ein stabiler Busch, so dass wir uns mit der Seilwinde rausziehen konnten. So konnten die Sandbleche und Schaufeln schön am Platz bleiben…

Immer wieder hupen und winken uns die Menschen auf der Straße zu. Egal ob auf dem Highway oder durch eine kleine Lehmbau-Siedlung. Die Menschen sind so unglaublich freundlich. Teilweise bremsen sie uns regelrecht aus, nur damit sie noch einmal winken und schauen können.

Als wir in Bandar Abbas im südlichen Iran ankommen, steigt die Temperatur und Luftfeuchtigkeit um mindestens 50%. Es ist ein zu krasser Unterschied. Bisher haben wir nachts gefroren und auf einmal steht die Luft förmlich. Es ist zu heiß. Und es ist eigentlich schon recht kühl für die Verhältnisse in Bandar Abbas. Wir haben ca. 35 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit von geschätzten 75%. Vor ein paar Wochen muss es hier noch richtig heiß gewesen sein. Es hat sein Ewigkeiten nicht mehr geregnet. Doch ich stehe im Saft. Wir kommen spät abends an und suchen im Verkehrschaos nach einem günstigen Hotel, was die Schweißperlen noch mehr heraustreibt (Iraner fahren nachts häufig ohne Licht und geben auf einmal Lichthupe – kurz bevor man sie rammt). Ich hoffe, dass ich das Land ohne Schäden am Auto verlassen kann. Nicht wegen dem Auto. Aber wenn ich hier jemanden auf die Haube nehme, dann kann ich als Europäer vermutlich ordentlich in die Tasche greifen. Also immer höchste Konzentration. Am nächsten Morgen möchten wir vorab mal den Hafen anschauen und die Agency für die Verschiffung nach Dubai kontaktieren. Als ich den Agent irgendwann gefunden habe, meint er, dass wir auch gleich heute verschiffen können. Boah. Ok, Bandar Abbas ist jetzt nicht gerade eine Schönheit und was sollen wir bis Montag noch rumsitzen? Wegen etwas Internet im Hotel und ein paar Bazargängen? Also so schnell wie möglich zurück ins Hotel, auschecken, Geld wechseln, Tickets besorgen, Hafen finden und ab in die tiefste iranische Bürokratie. Das Auto muss aus dem Iran exportiert und in Dubai wieder importiert werden. Als wir es wirklich eilig haben und ich im Hotel noch schnell Geld wechseln möchte, ist natürlich an der Rezeption nicht genug Bargeld vorhanden. Ich renne auf den Bazar und frage irgendeinen Händler indem ich mit zwei 50 Euro Scheinen wedle. Das versteht hier jeder. Der Händler besitzt natürlich auch nicht genug Bargeld, trommelt aber gleich die umliegenden Händler zusammen. Jeder Einzelne bringt iranische Rial aus seinem Laden bzw. seiner Hosentasche und innerhalb kurzer Zeit habe ich mein benötigtes Geld zusammen. Wie die Jungs die zwei Scheine hinterher aufteilen weiß ich allerdings nicht. Ich renne zurück und der Tag nimmt seinen Lauf. Am Ende des Tages habe ich jeden einzelnen Schalter im Hafen durch, kenne die Polizisten mit Vornamen und werde überall per Handschlag begrüßt. Aber ich bin wirklich fertig. Ich habe geschätzte 20 Zettel von A nach B geschleppt und für jeden Beleg gab es irgendwo einen Stempel, eine Unterschrift oder einen neuen Zettel. Letztendlich funktioniert es aber. Es ist phantastisch. Und man kommt mit den Leuten ins Gespräch. Ich treffe einen Trucker, der schon 30 mal durch Deutschland gefahren ist, mir jede Autobahn in Deutschland auswendig nennt, 70 Euro für das Schengen-Visa bezahlt und mich zum Essen einladen möchte. Letztendlich trinken wir eine Cola zusammen. Ein Grenzbeamter möchte unbedingt per Bluetooth mein Handy anzapfen. Ich soll ihm alle Bilder, Videos und Musik rüberschieben. Hauptsache irgendetwas europäisches – eigentlich egal was. Wir stehen nebeneinander, messen wer größer ist, lachen uns über unsere Passbilder im Reisepass kaputt und reden über Familie im Iran. Der Tag ist wirklich extrem stressig, aber im Nachhinein betrachtet macht es auch etwas Spaß. Man lernt so tolle Menschen kennen. Und wirklich jeder hilft einem weiter. Es funktioniert. And that’s it.

Die Nacht verbringen wir dann auf der Fähre. Wir sind insgesamt nur ca. 30 Passagiere und der Landy ist das einzige Auto im Frachtraum. Anscheinend ist die Samstag abend Fähre sehr wenig frequentiert. Wir passieren die Straße von Hornuz. Am nächsten Morgen legen wir in Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten an und die Bürokratie beginnt von vorne. Es gibt sieben einzelne Emirate, die zusammen die United Arabian Emirates (UAE) bilden. Ein Emirat davon ist Sharjah, ein weiterer Emirat ist Dubai. Im Verhältnis zum Iran sind die Emirate aber recht klein. Gegen 13:00 Uhr haben wir alles unter Dach und Fach und können das Hafengelände verlassen. Das T-Shirt ist längst wieder durch aber wir haben es geschafft. Der Landy fährt nach Dubai! Welcome to the Emirates.

 

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