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Bewaffneter Raubüberfall

Posted by on 16. Februar 2014

Ich weiß nicht wie viele Leben man genau hat, bei Katzen spricht man ja von sieben. Ich weiß aber, dass ich in der vergangenen Woche definitiv mein zweites Leben begonnen habe. Es war viel Glück dabei. Und vor allem hatte ich einen großen Schutzengel.

Am 12.02. brechen Luka und ich zusammen mit zwei Turnboys und einem Arbeiter von Henry am frühen Morgen nach Nairobi auf. Wir wollen Wassertanks holen und auf dem Rückweg in Isiolo noch Zement laden. Schon nach ca. 80 Kilometer haben wir die erste Panne. Auf der Rüttelpiste reist uns ein Drucklufttank ab wodurch die Bremsen nicht mehr funktionieren. Wir flicken die abgerissene Leitung, so dass wieder Druck entstehen kann und fahren weiter. Nach Merille kommen wir auf die Teerstraße Richtung Isiolo. Von hier aus geht es flotter und unbeschwerter. Als wir gerade mit ca. 80 km/h über die Straße brettern, kommen wie so oft einige Rinder auf die Straße, so dass wir abbremsen müssen. Dann hören wir von der linken Seite aus dem Busch einen Schuss. In diesem Moment springt in ca. 200m Entfernung ein bewaffneter Mann auf die Straße und positioniert sich mit angelegter Waffe auf der Mittellinie – bereit zu schießen. Wir fahren sofort links ran und halten an. Zwei Männer kommen von vorne auf uns zugerannt, einer von ihnen ist bewaffnet. Viele Hirten besitzen aufgrund zahlreicher Viehdiebstähle in der Region Waffen, oftmals sogar Sturmgewehre wie eine Kalaschnikow AK47. Diese werden dann häufig missbraucht. So auch in unserem Fall. Wir versuchen so schnell wie möglich Geld und Telefone in Ritzen zu verstecken. Dann steige ich als erster mit erhobenen Händen aus. Von hinten kommen drei weitere Männer auf uns zu gerannt. Auch von ihnen ist einer bewaffnet (mit einem M16 Gewehr). Luka und die zwei weiteren Passagiere steigen auch aus der LKW Kabine aus. Der zweite Turnboy versteckt sich auf der Ladefläche unter einer Plane und wird bis zuletzt nicht entdeckt. Die Gangster deuten an, dass wir uns auf den Boden legen sollen, was wir sofort tun. Sie gestikulieren wild mit ihren Waffen und schreien immer wieder “pesa” und “simu”, was “Geld” und “Telefon” bedeutet. Wenn man in so einer Situation in den Lauf eines Maschinengewehres schaut, dann rattert es ordentlich im Kopf. Sie durchsuchen unsere Hosen, ziehen uns Schuhe aus, greifen uns sogar in unsere Unterhosen. Währenddessen sind die Waffen immer auf uns gerichtet. Danach geht ein Räuber in den LKW und reist alles raus. Sogar die Sitze werden aufgeschlitzt. Sie finden unsere Telefone und weiteres Geld. Doch sie sind nicht zufrieden. Anscheinend reicht ihnen das Geld nicht aus. Später erfahre ich, dass einer unserer Begleiter die Sprache der “Hirten” (es waren Samburus) verstanden hat und sie zueinander gesagt hatten, dass Luka und vor allem ich mehr Geld haben müssten. Sie drohen mir Schläge an. Ich bleibe aber recht ruhig und versuche zu erklären, dass ich erst an einen Geldautomat muss, um mehr Geld zu besorgen. Das Prolem ist nur, dass sie mich nicht verstehen. Gott sei Dank bleiben die Männer bei ihren Drohungen und belassen ihre eisenbeschlagenen Stöcke bei sich. Während wir auf dem Boden liegen, kommt von hinten ein weiterer Lastwagen angefahren. Er sieht die Situation und gibt Vollgas. Die Räuber springen in den Straßengraben und beschießen den LKW. Es ist eine regelrechte Ballerei. Doch der Lastwagen kann entkommen. Danach kommen sie wieder zu uns. Einer der Männer zieht den Schlüssel des LKWs ab und sagt, dass wir ihn erst zurück bekommen, wenn wir mehr Geld rausrücken. Doch wir haben keins mehr. Dann ziehen sie sich in den Busch zurück, um die Ware zu begutachten und zu teilen. Auch meinen Rucksack nehmen sie mit. Nach langem Bitten lassen sie mir meinen Reisepass. Wir bleiben liegen. Einige Zeit später kommt einer der Räuber zurück aus dem Busch, wirft den Schlüssel ins Gras und verschwindet. Wir warten noch eine Weile, springen dann auf, holen den Schlüssel, werfen das Verbliebene fluchtartig zurück in den Lastwagen, machen eine Kehrtwende und rasen ca. 15 Kilometer zurück zum nächsten Ort wo eine Polizeistation ist.

Bei der Polizei berichten wir sofort von dem Vorfall, woraufhin sich eine bewaffnete Truppe mit uns aufmacht, zu der Stelle zurück zu fahren. Als wir dort ankommen, treffen wir auf einen Hirten mit seinen Rindern. Wir glauben, dass der Hirte mit den Tätern unter einer Decke steckt, weil wir kurz zuvor durch die gleichen Rinder zum Abbremsen gezwungen wurden. Auf jeden Fall muss er aber den Überfall mitbekommen haben und ganz sicher kennt er auch die Täter. Die Polizei nimmt ihn fest und vermöbelt ihn gleich vor Ort so ordentlich, dass er sich vor Angst in die Hose macht. Danach gehen wir mit den bewaffneten Polizisten in den Busch und verfolgen die Spuren. Ich finde auch Inhalte meines Rucksacks und den gelben Regenüberzug, welcher den Polizisten als Beweismittel dient, da in dieser Region solche Rucksäcke nicht verbreitet sind. Doch von den Tätern fehlt natürlich jede Spur. Nach einer Weile beschließen wir, dass wir nach Nairobi weiterfahren.

Der Schock ist ordentlich. Alle im Lastwagen sind fix und fertig. Keiner hat jemals so eine Situation erlebt und weiß so richtig damit umzugehen. In Isiolo durchsuchen wir den LKW noch einmal nach unseren Sachen und finden tatsächlich ein wenig Geld, welches die Räuber übersehen hatten. Auch ein kleines Nokia Telefon haben sie übersehen und wir können erstmal bei Heini in Marsabit anrufen. Sonst ist aber alles weg. Wir fahren mit den Kleidern, die wir tragen, weiter nach Nairobi. Glücklicherweise hatte ich aber weder Bank- oder Kreditkarten, Kamera, Notebook o.ä. dabei und selbst die deutsche SIM war nicht im Handy. Dennoch ist es ein komisches Gefühl mit nichts anderem als meinen Kleidern und meinem Reisepass unterwegs zu sein. Mir wird klar, dass das Wichtigste was ich bei mir habe, mein Leben ist. In den darauffolgenden Tagen wird mir vieles klar. Als wir unseren Report auf der Polizei verfassen, erzählt uns der Polizeichef schlimme Vorfälle, die in letzter Zeit hier stattfanden. Unter anderem wurde ein britischer Offizier bei einem Raubüberfall erschossen. Es gibt ständig Tote oder zumindest Verletzte. Umso mehr ich über den Überfall nachdenke, desto mehr realisiere ich, welch unwahrscheinlich großes Glück wir hatten, wie gut wir alle in dieser Extremsituation reagiert haben und dass jedes Leben so unwahrscheinlich wertvoll ist. Was ist schon ein iPhone oder alles Geld der Welt im Vergleich zu einem Menschenleben wert? Nichts. Alles ist ersetzbar. Alles. Nur ein Leben nicht.

Es geht immer weiter. Das Leben ist eine große Reise, in welchem wir die Passagiere sind. Den Steuermann sehen wir nicht und wir können ihn und den Reiseverlauf nicht beeinflussen. Im Islam sagt man, dass bereits bei unserer Geburt alles geschrieben wird. Ich bin zwar kein Anhänger des Islam, aber mir scheint, dass etwas wahres hinter dieser Aussage steckt. Meine Zeit war noch nicht gekommen.

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