Deutschland ist reich. Wir Deutsche besitzen Geld in Form von irgendeinem Kupfer, Bronze oder Papier in unseren Geldbeuteln. Dazu kommen Plastikkarten, die unseren Konten und Rabatten dienen. Wir haben Versicherungen und fahren grosse Autos. Doch letztendlich sind wir arm. Wir haben keine Ahnung von Gastfreundschaft – jedenfalls nicht mehr. Ich bin begeistert von den Griechen und den Türken. Ehrlich gesagt hätte ich nie gedacht, dass mir die türkische Gastfreundschaft so zusagt. Je mehr wir in die “richtige” Türkei kommen, desto herzlicher wird die Gastfreundschaft. Egal wo wir einkehren, von der einfachsten Truckerbude, einem Familienlokal oder einem guten Restaurant, wir werden stets mit Handschlag begrüßt. Es ist den Türken eine Ehre uns zu bewirten. Wir sind mittlerweile in Erzurum angelangt, das liegt im weiten Osten der Türkei. Europäer sind hier kaum zu finden, englisch ist so weit verbreitet wie Kisuaheli in Deutschland.
Ich kann nicht sagen, dass Gastfreundschaft mit Armut zunimmt. Aber sie nimmt mit Reichtum häufig ab. Wir stumpfen ab, weil uns vieles selbstverständlich geworden ist. Und wir verlieren zunehmend die Werte, die unsere Großeltern noch viel mehr gelebt haben. Fassen wir uns doch mal an die eigene Nase. Wir Deutsche sind doch schon misstrauisch, wenn ein Fremder ein bekanntes Lokal betritt. Und wenn er dann dazu noch gebrochenes Deutsch spricht, dann schauen wir ihn schon krumm an und packen ihn in eine Schublade. Ich spreche hier nicht mal gebrochenes türkisch, mir ist es peinlich, dass ich immer noch nicht richtig “Danke” auf türkisch herausbringe, geschweige denn auch nur annähernd sagen kann, was ich gerne essen möchte. Das juckt hier aber keinen. Wir gehen mit dem Kellner in die Küche und zeigen auf das, was wir gerne essen würden. Mit Händen und Füßen verständigen wir uns. Es kommt immer ein freundliches Lachen zurück. Das Essen war bis jetzt immer lecker und der Chai (Tee) danach ist in der Türkei eh selbstverständlich. Ich finde das eine ganz tolle Sache. Bisher mussten wir allerdings meistens nach dem Essen noch länger bleiben, weil zum Beispiel der junge Kellner so von unserem Auto begeistert war, dass er Bilder machen wollte und uns noch einen Kaffee auf eigene Rechnung bezahlt hat. Oder weil ein anderer seinen Papa holen musste, um ein gemeinsames Bild zu machen. Oder weil wir uns einfach mit dem Tischnachbarn so wunderbar verstanden haben, ohne auch nur ein Wort gewechselt zu haben. Ich freue mich hier über jeden Stop. Jedes Frühstück oder Mittagessen ist ein Abenteuer für sich. Abenteuer, die Spaß machen, weil sie mit Anerkennung und Respekt erlebt werden. Ich mag die Türken. Ich hatte bisher keine einzige unfreundliche Begegnung. Merken wir uns das für zu Hause.
Die Verständigungsprobleme können natürlich auch nerven. Gestern sind wir sicherlich eine Stunde durch Erzurum gefahren bis wir ein Hotel gefunden haben. Und es gibt hier massig Hotels. Aber egal wo wir auch angehalten und nachgefragt haben, es hat uns niemand verstanden. Aber ist das nicht vielleicht sogar unser eigenes Problem?
Die vorletzten zwei Nächte haben wir im Landy an einer Straße bzw. in der Pampa verbracht. Campingplätze gibt’s hier eh nicht und Hotels nur in größeren Städten. Aber wer braucht das schon. Man kann hier überall problemlos sein Auto abstellen und drin schlafen. Allerdings ist es sackkalt. Ohne Standheizung wird das schon kritisch. In der ersten Nacht hatten wir die Heizung dreimal laufen, in der zweiten Nacht dann nur noch einmal. Man gewöhnt sich an die Kälte.
Die Landschaft in der Osttürkei ist traumhaft schön. Es gibt hier grenzenlose Weiten gepaart mit schneebedeckten Gipfeln. Wir überqueren Pässe auf ca. 2100 m. Das Hochland zieht sich auf ca. 1700 m in großen Teilen durch. Hier betreiben Landwirte noch Ackerbau. Es gibt viele Zuckerrüben und immer wieder Zwiebeln. Interessant ist auch, dass die Baumgrenze im Gegensatz zu Deutschland bedeutend höher liegt. Die umliegenden Gipfel (3000er) sind bereits schneeweiß. Der Auto-Schleuser der ersten Nacht meinte, dass hier bis in zwei Wochen knöcheltief der Schnee liegt. Ob es stimmt kann ich nicht sagen, aber ich kann es mir gut vorstellen. Rauch steigt aus fast allen Häusern auf. Die Leute haben sich für den Winter gerüstet.
Was uns besonders auffällt ist der enorme Bau-Boom. Hier geht richtig was. Fast jede größere Straße wird saniert. Es werden Brücken und Staudämme gebaut. Riesige Erdmassen werden bewegt. Wir fahren häufig durch Baustellen. Ich bin mir sicher, dass in fünf Jahren die Osttürkei noch besser erschlossen ist, als sie es jetzt eh schon ist. Die Flussbeete sind zwar noch ausgetrocknet oder führen nur wenig Wasser – deren Dimension lässt aber erkennen, welch gewaltige Wassermassen hier entstehen können. Die neuen Staudämme können vermutlich den zukünftigen Energiebedarf des Landes zu einem Teil decken und dienen der gezielten Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen.
Wir warten hier auf unser Iran Visum. Zwei Wochen lang haben wir nun im oder auf dem Landy übernachtet. Daher haben wir uns nun in einem Hotel einquartiert. Etwas Abwechslung muss sein. In Erzurum gibt es ein iranisches Konsulat. Vor acht Tagen habe ich über eine dänische Agentur zwei Referenznummern angefordert, welche uns die Visa Beschaffung erleichtern. Mit den Referenznummern bekommen wir das Visum in einem Tag. Diese Nummer wird quasi aufgrund einer Einladung in den Iran ausgestellt. Aktuell haben wir diese aber noch nicht, weshalb ich jeden Tag auf die notwendige Nachricht warte. Sobald wir die Nummern haben machen wir uns ins Konsulat auf. Und dann geht’s ab in den Iran!
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