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Christmas-Birthday-New Year-Trip

Posted by on 4. Januar 2014

Hier wird Weihnachten anders gefeiert als in Deutschland. Es gibt keine Christbäume, beleuchtete Straßen, Schaufenster, Weihnachtsmärkte, keinen Geschenkestress und auch keine Adventszeit. Weihnachten hat hier noch einen sehr ursprünglichen Sinn. Die Menschen gehen an den Adventssonntagen und an Weihnachten in die Kirche. Weihnachten – das ist der 25.12. Heilig Abend gibt es eigentlich nicht. Christmas Eve, wie Heilig Abend genannt wird, läuft sehr rudimentär ab. Ein schnelles, gemeinsames Abendessen ohne Bescherung und dann geht`s gleich um 19:00 Uhr in die Kirche zum Grippenspiel. Direkt danach beginnt um 21:00 Uhr die Abendmesse, welche bis ca. 00:00 Uhr andauert. Weihnachten ist komplett anders und dennoch wunderschön. Ich habe Heilig Abend noch nie so einsam gefeiert und noch nie habe ich mir so intensiv Gedanken über das eigentliche Weihnachten gemacht. Es ist schön, Weihnachten einmal so zu erleben. Vielleicht kommt man so viel näher an das „richtige“ Weihnachten heran. Warum feiern wir es überhaupt? Kennen wir den Sinn überhaupt noch bzw. vermitteln wir unseren Kindern noch den Sinn von Weihnachten? Besteht es aus Geschenke auspacken, die eh viel zu viel und häufig überdimensioniert sind? In Deutschland ist Weihnachten Marketing und Geld. Mindestens 10 Wochen lang. Und 2 Tage davon ist dann dieses Fest. Die Menschen hier haben so wenig. Sie können weder Geschenke kaufen, noch haben sie Geld oder Strom für eine Weihnachtsbeleuchtung. Sie sammeln Feuerholz und laufen täglich zur nächsten Wasserstelle, um überhaupt ihre Nahrung zubereiten zu können. Vielleicht sollten wir nächstes Jahr mehr an die Millionen von Menschen auf den anderen Kontinenten denken, die ein Weihnachten, wie wir es kennen, nicht feiern können. Mir selbst jedenfalls wird dieses Weihnachten mit Sicherheit die kommenden Jahre in prägender Erinnerung bleiben.

Am 25.12. ist dann großer Familientag. Natürlich geht es davor wieder in die Kirche. Alle sind fein herausgeputzt und haben sich für diesen Tag schick gemacht – mit dem Besten was sie haben. Die Kirche ist gerammelt voll. Es wird gesungen, geklatscht, getanzt und getrommelt. Der Pfarrer heizt die Gläubigen sogar regelrecht in seiner Predigt zum Klatschen und Singen an. Nach der ca. 2,5-stündigen Messe, bei der ich kein einziges Mal auf die Uhr geblickt habe, gehen wir nach Hause. Mittlerweile haben sich ca. 50 Verwandte mit ihren Kindern eingefunden, die sich schon auf das Mittagessen freuen. Zu diesem Anlass werden extra zwei Ziegen geschlachtet, so dass alle Verwandten ausreichend satt werden. Und dann ist eigentlich auch dieses Weihnachten da. Eine Spur davon, wie wir es feiern. Wir sitzen zusammen, essen, trinken und unterhalten uns den ganzen Tag. Nur mit dem Unterschied, dass wir den ganzen Mittag draußen in der warmen Sonne sitzen. Erst als es dunkel wird, machen sich die Leute auf den Heimweg auf.

Eines Abends, als wir das Abendessen gerade beendet haben, fragt mich Myriam (Henrys älteste Tochter), ob ich sie spontan zur Familie ihres Freundes in die Stadt bringen kann. Seine Schwester liegt in den Wehen und erwartet ein Kind. Myriam hat selbst schon einen kleinen Sohn und sie möchte die Frau bei der Geburt unterstützen. Wir fahren gleich los. Ich bringe sie zum Haus der Familie, denn die meisten Kinder werden hier zu Hause zur Welt gebracht. Ich darf sogar das Haus betreten, gehe aber aus Respekt nicht ins Zimmer, wo die Frau liegt, hinein. Am nächsten Morgen dann die frohe Botschaft: In der Nacht ist ein gesundes Mädchen zur Welt gekommen. Ich fahre mit den Mädels der Familie gleich hin, denn alle wollen das Neugeborene sehen. Nun betrete auch ich das Zimmer, alle sind ganz happy und auch die frisch gewordene Mama ist ganz entspannt und freut sich über den Besuch. Es ist etwas Besonderes einen so kleinen Sprössling ein paar Stunden nach seiner Geburt zu sehen und es berührt mein Herz, wenn man in die leuchtenden Augen dieses neugeborenen Menschen und seiner Mama schauen kann.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag machen wir uns auf Richtung Lake Turkana. Der Turkanasee ist nach dem Viktoriasee der zweitgrößte See in Afrika. Er ist ein Binnensee und liegt in einer Einöde, die nur schwer zu erreichen ist. Die Tage zuvor haben wir bereits einen kleinen LKW mit Bänken, Inverter, Solarpanel, Batterien, Kühlschrank, Essen und Trinken hergerichtet. Wir, das sind Heinis Söhne mit vielen Freunden und ich. Auch ein paar Arbeiter gehen mit. Zwei nehmen ihre Familie mit, da sie noch nie am Turkanasee waren. Die Kinder sind schon ganz aufgeregt. Wir fahren nach ein paar letzten Besorgungen am frühen Morgen los Richtung Loiyangalani. Die ganze Tour taufen wir „Christmas-Birthday-New Year – Trip“, da wir unsere Rückkehr erst auf den Neujahrstag planen und ich zwischen den Jahren noch Geburtstag habe. Wir schlagen jede Nacht unser Camp im Busch auf. Die meiste Zeit gibt es nicht einmal Handyempfang und so genießen wir jede Nacht im Freien unter sternenklarem Himmel. Jeder Tag ist aufs Neue spannend. Als ich eines Morgens einen Platz zur Morgentoilette suche, sehe ich wie sich eine Schlange in der Morgensonne auf einem Stein wärmt. Durch meine Schritte verschwindet sie aber rasch. An zwei Abenden trete ich mit meinen Flipflops auf einen Skorpion. Die Viecher rasen hier wie wild über den Sand und veranlassen mich dazu nicht auf dem Boden, sondern auf dem Dach unseres LKWs meine Nächte zu verbringen. Wir kochen auf offenem Feuer. Die zwei Frauen, die uns begleiten, sind wahre Profis darin. Sie verstehen es perfekt, die Hitze unter den brodelnden Töpfen so mit dem Holz zu steuern, dass nichts anbrennt. Als wir am zweiten Tag den See erreichen, gibt es für die meisten Teilnehmer kein Halten mehr. Sie stürmen zum Wasser, waschen und baden sich darin. Die meisten von ihnen haben noch nie so viel Wasser auf einmal gesehen. Fast keiner von ihnen kann schwimmen. Obwohl der See von Marsabit aus maximal 300 Kilometer entfernt liegt, hatten nur wenige der Jugendlichen bisher das Glück, eine Reise dahin zu machen. Am Abend feiern wir am See meinen Geburtstag und am nächsten Tag baden wir noch einmal ausgiebig vor unserer Weiterfahrt im seichten, klaren Wasser. Unsere Route führt uns entlang des Sees Richtung Illeret. Von dort aus möchten wir über die äthiopische Grenze nach Omorate an den Omo-Fluss, der einzig große Zufluss des Turkanasees. Zwischenzeitlich erreiche ich nun schon das dritte Mal Illeret in den letzten 2,5 Wochen. Die Reise hierhin ist jedes Mal sehr beschwerlich. Auf dem direkten Weg sind es ca. 400 Kilometer übelste Offroadpiste, die man im Schnitt mit ca. 30-40 km/h befährt. Somit benötigt man für die Fahrt ca. 14 Stunden nonstop oder eben zwei Tage. Bei der letzten Fahrt sind wir mit dem LKW spät nachmittags um 16:00 Uhr in Illeret losgefahren und haben Marsabit passend zum Frühstück gegen 08:00 Uhr erreicht. Der Fahrer hält lediglich alle zwei Stunden kurz an, um die Federn und Reifen des LKWs zu überprüfen. Es ist der Wahnsinn, was die Jungs hier für einen Job machen. Ich kann nicht mehr zählen, wie viele Pannen wir schon unterwegs geflickt haben. Mit Familien und Kindern ist diese Strecke in diesem Tempo aber nicht zu bewältigen, so dass wir es sehr gemütlich angehen. Dennoch brechen uns bereits auf dem Hinweg die hinteren Blattfedern. Wir flicken den Bruch mit stabilen Stämmen eines sehr harten Baumes und setzen unsere Reise fort. Luka und Simon sind regelrechte Improvisationskünstler. Sie flicken zusammen mit einem Turnboy (so werden hier die Jungs genannt, die mit den LKWs mitfahren und bei den Reparaturen mithelfen) so ziemlich alle Schäden immer wieder zusammen. Hauptsache man kann weiterfahren. Notfalls halt ohne Federn und extrem langsam. In dieser Einöde kann es vorkommen, dass tagelang kein Auto vorbeikommt, Handyempfang gibt es nicht und der nächste Ort liegt kilometerweit entfernt. Es ist wirklich unglaublich, was wir in der kurzen Zeit hier schon alles geflickt haben. Ich lerne unwahrscheinlich viel dazu. Weiter kommt man irgendwie immer. Diese Fahrt nach Illeret kann ich sehr gut zum Fotografieren nutzen, so dass ich den Stamm der ansässigen Dassanech etwas genauer beobachten kann. Die Menschen sind einfachste Fischer und leben in kleinen runden Lehmhütten, welche sie heutzutage mit Resten aus gerade geklopftem Wellblech überschichtet haben. Kinder und Männer tragen so gut wie keine Kleidung, teilweise einfache Röcke oder nur ein zerrissenes T-Shirt. Selbst die Frauen bedecken sich nur wenig. Häufig zieren farbige Perlenketten die nackte Haut. Eine Art von Scham verspüren die Menschen hier kaum. Dennoch fällt es mir schwer Fotos zu schießen. In dieser Region kommen keine Touristen vorbei. Die einzigen Weißen sind der Pfarrer und die zwei Mitarbeiter der Internationalen Malteser. Die Einwohner bleiben vor mir stehen und schauen mich an, als käme ich von einem anderen Stern. Vielleicht müssten sie eher ein Bild von mir machen, als ich von ihnen. Das geht so nicht. Dann kommt mir eine geniale Idee. Als wir eine neu errichtete Schule besuchen, drücke ich die Kamera einfach einem Einwohner in die Hand und erkläre ihm grob die Funktion. Er ist begeistert und fotografiert wie wild drauf los. Den Großteil der Bilder kann ich kaum verwenden, aber dennoch sind ein paar sehr tolle Stammesbilder dabei, die ich Euch nicht vorenthalten möchte und die mit Sicherheit noch nicht viele Menschen so gesehen haben.

Die Silvesternacht verbringen wir in North Horr im kleinsten Kreise. Es gibt kein Feuerwerk und kein Silvestermenü. Keinen Sekt und keine lange Nacht. Als die Sonne am frühen Morgen gegen 06:00 Uhr aufgeht brechen wir auf und erreichen unsere Heimat Marsabit zur Mittagszeit. Sieben Nächte haben wir im Busch verbracht. Ich freue mich auf ein richtiges Bett.

Zwischenzeitlich erfahre ich, dass einer der Hunde hier gestorben ist. Er kam eines Morgens humpelnd an und es ging ihm sehr schlecht. Am darauffolgenden Tag war er tot. Wir gehen davon aus, dass er von einer Schlange gebissen worden ist. Die Viecher gibt es hier einfach zu viel. Mittlerweile ist sogar ein neuer kleinerer Hund nicht mehr auffindbar. Vermutlich ist auch er Opfer eines wilden Tieres bzw. einer Schlange geworden. Durch solche Vorfälle wird mir doch wieder klar, dass wir uns inmitten einer wilden Natur befinden, die noch immer für Mensch und Tier gefährlich ist.

Heinis Frau, Rosanna, hat am 02. Januar Geburtstag. Nachdem wir zurück sind, feiern wir gemeinsam mit der Familie unseren Geburtstag in einer kleinen Lodge im Marsabit National Park. Wir essen gemeinsam wunderbar zu Abend und zu meiner Überraschung gibt es für jedes Geburtstagskind sogar einen eigenen, selbstgebackenen Kuchen mit Geburtstagsaufschrift. Dazu singen mir alle Kinder und Henry auf Deutsch (!) ein Geburtstagsständchen. Ich bin überwältigt. Das neue Jahr hat gut begonnen.

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