Wir sind zurück in Europa. Auf einen Schlag und fast ohne Übergang. Also quasi wie mit dem Flieger. Nur gings nicht ganz so lange. Es war lediglich der Grenzübertritt von Botswana nach Südafrika. Erste Anzeichen waren in Botswana ja schon zu erkennen. Noblere Autos und kleinere, einfache Supermärkte. Doch mit unserer Ankunft in Südafrika ist Afrika vorbei. Wir sind in “Süd” angekommen. Afrika ist das nicht mehr. Wir donnern auf achtspurigen Highways mit Mautkontrollen Richtung Großstadt. Uns überholen massig Luxuskarossen, vermutlich haben wir monatelang keinen Mercedes oder BMW mehr gesehen – bzw. wenn dann nur von Regierungsmitgliedern. Hier rasen diese Kisten massenweise an uns vorbei. Ein Hochhaus reiht sich ans nächste und die Brücken überschlagen sich in ihrer Architektur. Wir sind geschockt. So richtig wird uns das Ganze bewusst, als wir uns auf die Suche nach etwas essbaren zum Abendessen machen. Wir möchten eine Kleinigkeit kochen und suchen dazu Kohl, Tomaten, Kartoffeln, Zwiebeln usw. Doch entlang der Straßen gibt es keine tollen Einkaufsstände mehr. Die, die immer alles hatten, dazu preisgünstig waren und wo immer ein freundliches Gespräch entstand. Stattdessen parken wir vor einer großen Einkaufs-“Mall” – einer Einkaufsmeile – wie ich sie selbst nicht aus Freiburg kenne. Wir laufen mit dem Einkaufswagen wie Affen durch den Supermarkt. Den Kohl finden wir …eingepackt in fünf Schichten Plastikfolie, dazu viel kleiner und viel teurer als “draußen”. Welcome Fastfood. Mikrowellen-Fertiggerichte und abgepacktes Fleisch aus Massentierhaltungen begrüßen uns in den Regalen. Gespräche finden hier auch keine mehr statt, alles ist anonym und langweilig. Es ist alles verfügbar, doch die Masse erschlägt uns. Wir fühlen uns nicht wohl und flüchten nach den notwendigsten Besorgungen auf einen entfernten Campingplatz, wo wenigstens noch etwas Natur vorhanden ist, packen den Kohl aus und lassen uns das Abendessen schmecken. Shit, das scheint also Südafrika zu sein. Ich dachte nicht, dass ich so schnell Afrika verlassen werde.
Auf dem Campingplatz ist alles super sauber. Die Toilettenanlagen sind perfekt, die Duschen haben alle Warmwasser, das Gras wird bewässert und regelmässig gemäht. Als ich an der Rezeption nach WLAN frage, lächelt die Besitzerin. Selbstverständlich habe sie WLAN und natürlich ist das WLAN auch kostenlos. Welch dumme Frage von mir. Das alles war bisher kein Standard.
Zwei Tage später holen wir meine Cousine Manuela in Johannesburg am internationalen Flughafen ab. Sie hatte sich ganz spontan auf einen Besuch entschieden, was mich umsomehr gefreut hat. Zusammen haben wir sieben Tage Zeit, so dass wir zum Krügerpark fahren und dort fünf Tage verbringen möchten. Die erste und letzte Nacht verbringen wir jeweils in Nelspruit im Funky Monky Backpackers, was sich als gemütliche Oase herausstellt. Der Krüger Nationalpark ist vergleichsweise zu den Parks in Ostafrika sehr günstig. Selbst die Campsites innerhalb des Parks sind nicht teurer als außerhalb und so beschließen wir vier Nächte im Park zu bleiben. Schon bei unserer Ankunft wird mir gleich klar, dass dieser Park anders ist, als die üblichen Nationalparks in Afrika. Die Hauptstraßen sind geteert und überall stehen Schilder mit Geschwindigkeitsbegrenzungen. Teerstraßen 50km/h und auf den bestens präparierten “Offroad”-Strecken 40km/h. Ich nehme die Begrenzungen zur Kenntnis und fahre dann aber gleich in gewohnter Afrikamanier los. Dabei schaue ich nicht auf den Tacho, sondern in die Landschaft und suche Tiere. Ob ich da 10 oder 20 Sachen zu viel fahre, interessiert mich nicht. Doch dann wird es kurios. Nach ein paar Kilometern steht doch tatsächlich im Busch eine Polizeistreife mit einer Radarkanone und ist bereit mich zu blitzen. Wo gibts denn sowas? Auf der Suche nach Wildtieren finde ich Hightech-Polizisten im Busch… Glücklicherweise lächelt die Polizistin nur und hält mich nicht an. Vermutlich war der Geschwindigkeitsübertritt nicht zu viel, so dass sie uns passieren lässt. Von da an schaue ich allerdings mehr auf meinen Tachometer.
Der Park bietet alles, was das Safariherz begehrt. Die “Big Five” (Elefant, Büffel, Nashorn, Löwe, Leopard) – welche wir auch alle im Park gesehen haben – sowie wunderschöne, abwechslungsreise Naturlandschaften. Große und kleine Flußläufe durchziehen den ganzen Park und immer wieder gibt es kleinere, befestigte Wasserdurchquerungen, die vermutlich zur Zeit nach der Regenzeit noch etwas größer ausfallen, als in der Trockenzeit. In der Regel machen wir morgens und abends eine Pirschfahrt. Nachmittags ruhen wir uns etwas in den Restcamps aus. Die ersten zwei Nächte verbringen wir nördlich im Letaba Restcamp und fahren von da aus weiter südlich für weitere zwei Nächte ins Skukuza Camp. Diese Camps sind bestens ausgestattet. Neben den üblichen Sanitärausstattungen finden wir in jedem Camp eine Tankstelle, einen Einkaufsladen und einen Swimmingpool. In Letaba gibt es sogar ein Elefantenmuseum, wo wir einen Nachmittag der heißen Sonne entflüchten und uns über alle Details von Stoßzähnen bis Wilderei informieren. Da in Südafrika gerade Schulferien sind, treffen wir im Park viele Familien an. Es gibt unzählige Wohnwägen und Allradfahrzeuge und so ist es nicht selten, dass es entlang der Hauptstraßen bei interessanten Tierbeobachtungen zu kleineren Staus kommt. Für alle Tierliebhaber habe ich hier am Ende des Beitrags jede Menge Tierfotos aus dem Krüger Nationalpark angehängt, welche die Schönheit dieser Natur zeigen. Wir hatten wirklich ein unglaubliches Glück und haben neben Leoparden und weiblichen Löwen auch zweimal Geparden und sogar ein Nashorn in freier Natur gesehen.
Nach sieben Tagen fahren wir zurück nach Johannesburg. Manu muss leider wieder nach Hause fliegen. Die gemeinsame Woche ging viel zu schnell vorüber. Wir verabschieden uns von ihr am O.R. Tambo Flughafen und kehren zu unserem bekannten Campingplatz zurück. In zwei Tagen schon fahren wir erneut an den Flughafen um unseren nächsten Gast, Markus (alias Zimbo), abzuholen. Mit ihm zusammen werden wir die kommenden 3,5 Wochen gemeinsam entlang der Küste bis Namibia fahren, von wo aus ich dann den Landy zurück nach Deutschland verschiffen werde. Wir selbst fliegen dann von Windhoek zurück.
Um uns die Wartezeit etwas zu verkürzen, schauen wir uns an einem Nachmittag Maschinen zur Steinproduktion an. Henrys Jungs interessieren sich für eine neue Maschine, die in Marsabit eingesetzt werden könnte. Die Maschinen können mit Hilfe von unterschiedlichen Einsätzen jegliche Form von Steinen pressen. Das Werk, welches wir besichtigen, wurde von einem Deutschen vor knapp 100 Jahren gegründet und noch heute werden alle Maschinen hier eigenständig produziert. Der Werksleiter führt uns durch die Produktion, wo wir einen genauen Einblick in die Herstellung und die verschiedenen Maschinenvarianten bekommen. Die Zeit vergeht wie im Flug und wir müssen uns sputen, damit wir rechtzeitig am Flughafen sind, um Zimbo abzuholen. Das Wiedersehen ist wunderbar, wir freuen uns rießig uns wiederzusehen und vor allem auf die bevorstehenden 3,5 gemeinsamen Wochen.
Unser erstes Ziel ist Port Elisabeth. Nach zwei Tagen und guten 1000 Kilometern durch die Mitte Südafrikas kommen wir an. Zum ersten Mal seit vielen Monaten erreichen wir das Meer. Seit ich das Auto in Djibouti abgeholt hatte, war ich an keinem Ozean mehr. Obwohl Port Elisabeth eine große Industriestadt am indischen Ozean ist und es mit Sicherheit schönere Plätze gibt, bekomme ich Gänsehaut. Ich habe die Südküste Afrikas erreicht. Nach tausenden Kilometern durch Afrika das Meer zu sehen ist unbeschreiblich. Kurze Zeit später finden wir eine Bleibe in einem kleinen Backpacker Hostel. Diese Hostels gibt es hier zuhauf. Sie sind Treffpunkt überwiegend junger Reisender, bieten Schlafsäle, Relaxecken mit TV, WLAN und vollständig eingerichteten Küchen. Sie liegen meistens zentraler als große Campingplätze, haben dadurch aber häufig nur wenig Möglichkeiten ein Zelt im Garten aufzustellen. So kommt es, dass wir unser Auto auf einem kleinen, steilen Parkplatz abstellen, es mit Hilfe von Pflastersteinen ausrichten und im Hof unser zweites Zelt auf dem Boden aufschlagen. Abends kochen wir gemeinsam in der Küche, so dass wir unsere eigenen Utensilien im Auto belassen können. In zwei große Kühlschränke können wir unser Essen legen. Tee und Kaffee sind kostenlos. Sogar ein Billardtisch ist verfügbar. Solche Luxusumstände hatten wir seit Monaten nicht mehr. Es ist nicht mit unseren bisherigen Übernachtungen zu vergleichen, wo wir meistens noch nicht einmal Strom hatten.
Unsere Reise führt uns über Jeffreys Bay entlang der Gardenroute nach Kapstadt. Jeffreys Bay ist ein typisches Surferparadies. Der Strand ist traumhaft, die Wellen sind teilweise gewaltig. Als wir am Strand entlang schlendern, ein paar Muscheln suchen und die Menschen im Wasser beobachten, fällt mir weiter entfernt auf, dass schwarze Flossen aus dem Wasser ragen. Könnten das Haie sein oder vielleicht Delfine? Mit dem bloßen Auge ist es nur schwer zu erkennen. Da sich alle Menschen im Wasser aber ganz normal verhalten und sie auch nicht weiter raus gehen (vermutlich gibt es auch ein vorgelagertes Riff, daher auch die großen Wellen), scheint das hier ganz normal zu sein. Am Abend spreche ich im Hostel mit einem Surfer, der mir berichtet, dass Haie nicht ungewöhnlich sind. Allerdings würde dann immer Haialarm ausgelöst werden und das Baden bzw. Surfen sei dann verboten. Es könne aber gut sein, dass Haie vor dem Riff schwimmen. Gott sei Dank war ich noch nie der Surfertyp…
Entlang der Garden Route reihen sich einige phantastische Brücken aneinander, bei denen wir anhalten und die faszinierenden Konstruktionen begutachten. An der Bloukrans Brücke, der größten Bogenbrücke entlang der Strecke, welche auf einer Länge von 451 Meter ein Tal überbrückt, halten wir an, um den welthöchsten Bungeejump zu sehen. Aus einer Höhe von 216 m stürzen sich Menschen jeden Alters in die Tiefe. Alleine der Ausblick auf die Brücke ist atemberaubend. Im Hintergrund der Brücke das blaue Meer, darunter ein tiefes Tal. Zimbo möchte springen, ist sich aber beim Anblick der Dimensionen nicht mehr richtig sicher. Nach längeren Überlegungen entscheidet er sich dann aber doch für den Sprung. Ich habe ihm versprochen, dass ich ihn zur Mitte der Brücke begleite, also quasi den “Bridgewalk” mache, den Gang zu der Stelle, an der die Springer abspringen. Der Gang führt über eine Gitterkonstruktion, welche an der Brücke befestigt ist. Während man zur Mitte läuft, sieht man unter sich durch das Gitter bis auf den Boden. In der Mitte der Brücke sind dies 216 Meter. Man hängt quasi in der Luft. Schon beim Bridgewalk steigt mein Adrenalin, kaum vorzustellen wie dies beim Sprung erst sein muss. Es gehen immer nur kleine Gruppen zur Brückenmitte. Als wir am Absprungplatz ankommen, werden wir von einem lässigen Team begrüßt, es läuft laute Musik, die ordentlich puscht. Als Zimbo das Seil um die Füße angelegt wird, ist er noch recht locker. Als es dann aber an den Rand der Brücke geht und er bereits mit den Zehenspitzen in der Luft hängt, geht auch ihm das “Klämmerle”. Verständlich. Doch dann nimmt er allen seinen Mut zusammen und springt. 216 Meter in die Tiefe. Hut ab. Das war sackstark. 2 Minuten später ist er wieder oben an der Brücke. Nach dem Sprung baumelt man noch kurz aus, dann seilt sich ein Mitarbeiter hinab und man wird mit Hilfe einer Winde zurück nach oben gezogen. Danach gehen wir zurück und besorgen uns Bilder und Videos vom Sprung. Das war ein unvergessliches Erlebnis. Nach dem Sprung sind wir alle geflasht. Da es schon etwas spät ist, fahren wir noch bis nach Wilderness, wo wir im schönen “Fairy Knowe” Hostel unterkommen, welches in einer bezaubernden Landschaft liegt. Wir schlagen unser Camp auf und feiern Zimbos Bungeesprung bis nachts um vier.
Wir erreichen Kapstadt bei leichtem Regen und Nebel. Dazu weht ein kalter Wind. Nach 207 Tagen und 26.300 Kilometer mit dem eigenen Land Rover durch Europa, Vorderasien und Afrika bin ich in Kapstadt angekommen! Unglaublich. Trotz einiger extremen Erlebnisse auf der Reise hatte ich mit dem Landy wirklich so gut wie keine Probleme. Vor allem hatte ich keinen Unfall. Nicht einmal eine kleinste Berührung. Und das bei Verkehrsbedingungen, die mit Deutschland nicht zu vergleichen sind und wo Italien im Vergleich mustergültig erscheint. Klar, ein paar Stoßdämpfer, Hupe, Bremslicht usw. mussten ersetzt werden. Dazu habe ich Erfahrungen mit verschiedenen Federn gesammelt. Die Bodenwellen im Norden Kenias fordern ihren Tribut. Die ein oder andere Kleinigkeit werde ich zu Hause tauschen. Aber letztendlich gab es keine Probleme, die mich tagelang an einer Weiterfahrt gehindert hätten. Die Kiste war einfach tiptop!
Am nächsten Morgen scheint die Sonne. Natürlich wollen wir auf den Tafelberg steigen. Und so starten wir sehr früh am Morgen und machen uns auf zum Gipfel. Der Wind bläst recht stark und die Seilbahn zum Gipfel ist nicht in Betrieb. Je höher wird steigen, desto stärker wird der Wind. Ein paar Touristen, die auch aufsteigen, brechen ab. Wir beißen uns durch bis an den Gipfel. Oben auf der “Tafel” ist es dann ganz extrem. Wir können kaum an den Rand der Felsen laufen, da uns der Wind förmlich runterbläst. Beim bekanntesten Aussichtspunkt gibt es ein Café, wo wir uns etwas Windschutz erhoffen. Doch auch dieses hat geschlossen. Wir finden nur eine Handvoll weiterer Touristen. Dennoch ist der Ausblick unbeschreiblich schön. Der Himmel ist klar und durch den starken Wind gibt es kaum Wolken. Wir schießen ein paar Bilder und suchen uns einen Platz im Windschatten, wo wir unser Vesper essen. Zwischenzeitlich befinden sich kaum noch Menschen auf dem Tafelberg – irgendwie auch ein schönes Erlebnis. Wir haben den Berg quasi für uns. Da der Wind aber noch stärker zu werden scheint, beschließen wir zügig abzusteigen. Auf unserem Weg nach unten, treffen wir weitere Gipfelstürmer, die sich für die Umkehr entscheiden. Der Wind ist einfach zu heftig. Mittlerweile sind auch einige Wolken am Berg hängen geblieben, so dass man durch die Wolken hindurch muss bzw. oben vielleicht schon gar nichts mehr sieht. Wir hatten Glück, dass wir rechtzeitig in der Früh los sind. Die Besteigung war für uns einmalig und eine richtige Herausforderung. Aber der Ausblick hat uns dann für alles entschädigt. Nachmittags fahren wir auf einer wunderschönen Straße mit hunderten kleinen Kurven entlang der Küste zum Kap der guten Hoffnung. Da ein paar Kilometer davor aber Nationalpark beginnt und dann Eintrittsgebühren zu entrichten sind (für einen Park, der eh kaum mehr bietet, als einfach am Kap zu sein), halten wir viel lieber bei ein paar Souvenirfrauen am Straßenrand an und schauen, was sie so nettes verkaufen. Eine Frau kommt aus Kenia und Simon und Luka unterhalten sich gleich bestens auf Kisuaheli mit ihr. Sie freut sich so sehr, dass sie den Jungs sogar Souvenirs schenkt. Es sind vor allem die Begegnungen, die mir bei so einer Reise im Gedächtnis bleiben.
Den Tag darauf verlassen wir Kapstadt und machen uns auf durch die Cedarberge Richtung Springbok, der letzten größeren Stadt vor der Grenze zu Namibia. Die Landschaft wird immer karger und ähnelt den bekannten Ansätzen einer Wüste. Wüstentypisch kommt nachts ein kalter, starker Wind auf, der sehr plötzlich bei Sonnenuntergang beginnt und nach Sonnenaufgang auch wieder endet. Im Dachzelt wackeln dabei ordentlich die Wände und es dauert eine zeitlang bis man sich daran gewöhnt hat bei diesem Wind im Zelt zu schlafen. Dennoch sind wir am nächsten Morgen fit, stehen bei Sonnenaufgang auf und machen uns nach ein paar letzten Besorgungen auf an die Grenze zu Namibia – meinem letzten Reiseland.